One Night in Paris
Ehrlich gesagt waren es Three Nights in Paris. Dachte mir, der gewählte Titel zieht mehr und die Handlung des Reiseberichts beschränkt sich auch nur auf die Silvesternacht des Jahres 2009. Der Tag begann mit Besichtigungen der üblichen Sehenswürdigkeiten. Eine der letzten davon sollte der Louvre am Nachmittag sein. Wir betraten das riesige Gebäude nicht durch den Haupteingang sondern durch einen Seiteneingang etwa auf der Höhe des Triumphbogens auf der rechten Seite wenn man von dort aus auf die gläserne Pyramide – den Haupteingang – sieht. Dort gab es fast keine Schlange. Zum Glück. Hätte ich in der eiseskälte lange anstehen müssen nur – oder zumindest hauptsächlich – um dieses gehypte Gemälde namens Mona Lisa zu sehen, wäre ich sehr frustriert. Um ein winziges Gemälde standen dicht gedrängt hunderte von Leuten, in einem Abstand von etwa zehn Metern zum Gemälde, von Sicherheitspersonal zurückgedrängt, mit erhobenen Kameras und blitzen das Kunstwerk ab. Vorne angelangt kam mir kurz der Gedanke an einen Moshpit. Verwerfe ihn aber schnell wieder, obwohl die Atmosphäre etwa gepasst hätte. Auf dem Rückweg zum Ausgang und Garderobe verliefen wir uns kurz im Louvre und irrten eine dreiviertel Stunde durch die Abteilungen italienische Skulpturen, französische Skulpturen und irgendwelche Zwischengeschosse die man beim Aufzugfahren nicht kapiert. Während der ganzen Zeit halten wir uns dabei immer nur im rechten Flügel des Museums auf. Nicht auszudenken was passiert wäre, wären wir noch weiter ins Innere vorgedrungen.
Um das neue Jahr gebührend zu feiern begaben wir uns gegen 22 Uhr an den Eiffelturm. Von dort bis zur Champs-Élysées feierten hunderttausende Silvester. Der Eiffelturm war toll beleuchtet und wechselte im Takt der elektronischen Musik die Farben und strahlte von der Spitze mit einem Laser wie ein Leuchtturm. Nur Feuerwerk gab es keines. Das ist seit einiger Zeit in Frankreich verboten. Vereinzelt ging aber doch mal eine Rakete und ein Böller los. Nachdem wir angestoßen und uns ausreichend mit mitgebrachten Glühwein gewärmt hatten wollten wir weiter in eine Bar oder einen Club ziehen. Wieder an der Metro-Station angekommen, bot sich uns ein unglaubliches Bild. Zehntausende wollten weg von hier und an der Station herrschte Blockabfertigung, die von der Polizei durchgesetzt wurde. Anfangs lachten wir noch ein wenig im Gedränge aber je näher wir dem Eingang kamen desto enger wurde es. Ein paar Jugendliche bildeten einen menschlichen Rammbock und stießen immer wieder in die Menge. Für kleinere Personen und Frauen wurde es da schon ziemlich ungemütlich vorne. Einen Moment später machte die Polizei wegen des beängstigenden Gedränges die seitlichen Begrenzungssperren auf und die Menge strömte auf die Straße, vorbei an der Station. Damit war diese erstmal geschlossen. Wir entschlossen uns erstmal entlang der Seine in Richtung Innenstadt zu laufen und später eine etwas abgelegenere Metrostation zu nehmen. Doch erstmal bot sich an den nahe gelegenen Stationen das gleiche Bild wie am Eiffelturm. Wir laufen ziemlich lange weiter bis wir an die Station Franklin D. Roosevelt an der Champs-Élysées kommen. Mittlerweile ist schon einige Zeit vergangen und es ist nicht mehr ganz so voll. Mein Bruder und seine Freundin sind uns ein paar Meter voraus und sind quasi schon dabei, die Station zu betreten da merke ich das hier was nicht stimmt. Das war auch nicht so schwer, denn aus der Station strömten die Menschen heulend, keuchend und hustend heraus, rieben sich die Augen, spuckten auf den Boden oder schrien. Eine Frau kippte einfach um. Gerade so schnappe ich meinen Bruder am Kragen und halte beide davon ab in die Metro zu gehen. Da haben wir wohl um ein paar Sekunden einen Anschlag verpasst. Ich weiß bis jetzt nicht, was passiert ist. Vielleicht hat jemand einen Kracher in die Menge geworfen. Auf jeden Fall waren danach erstmal alle Metro-Stationen an denen wir in den folgenden Stunden vorbei kamen gesperrt. So irrten wir weiter durch Paris, liefen weiter zum Place de la Concorde, vorbei am Jardin des Tuileries und Louvre die Rue de Rivoli entlang. In der ganzen Stadt war auch kein Taxi mehr zu bekommen und es war eiskalt. Wie liefen schon die ganze Zeit auf der Straße, und versuchten jedes Auto anzuhalten. Nach über sechs Kilometer Fußweg gelang es uns endlich. Der Taxifahrer knöpfte uns zwar 60 Euro ab aber wir waren trotzdem sehr froh. Um halb vier kamen wir schließlich durchgefroren im Hotel an. Obwohl, so im nachhinein – nochmal fünf Kilometer mehr gelaufen und wir wären auch angekommen.